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Festung im Fokus : Mathematische Methoden in der Architectura Militaris des 16. und 17. Jahrhunderts und ihre Sublimierung in der Architectura Civilis.

Dresde, 3-5 octobre 2008.

jeudi 3 juillet 2008, par Panurge

Internationale Tagung vom 3. bis zum 5. Oktober 2008 in Dresden,

Blockhaus (Sitz der Sächsischen Akademie der Wissenschaften)

Im Mittelpunkt der dreitägigen internationalen interdisziplinären Tagung steht der Festungsbau, der im 15. bis 17. Jahrhundert eine zentrale Herausforderung für die angewandten Wissenschaften der Epoche darstellte und der von zwei Seiten beleuchtet werden soll : Zum einen unter dem Aspekt der Anwendung zeitgenössischen mathematischen Wissens im Dienst architektonischer Innovationen als Reaktion auf die Neuerungen im Kriegswesen, wie sie im Laufe des 15. Jahrhunderts zu beobachten sind ; zum anderen unter dem Aspekt der Ãœbernahme der neuen Entwurfspraktiken und Architekturformen in den Bereich der zivilen Architektur mit weitreichenden Folgen auch für den Alltag. Als Ausgangspunkt dient die Beobachtung, dass die Mathematik in jüngster Zeit zunehmend als Kulturträger in das Blickfeld der Geisteswissenschaftler getreten ist. Ihre Bedeutung als Basiswissen für kulturelle Errungenschaften wie die Zeitrechnung, die Musik, die Künste usw. wird neuerdings verstärkt interdisziplinär betrachtet.

Die Festung muss als ein neuartiges, auf Geometrie (Euklid) und Sichtbarkeit beruhendes System der Raumbeziehungen begriffen werden, dessen enormer Einfluss auf die Architekturtheorie und die Gestalt der Stadt bisher noch nicht umfassend analysiert wurde. Mit der Konstruktion niedriger, keilförmiger Bastionen nach 1500 begann ein langwieriger Umbauprozess, mit dem in letzter Konsequenz das bisherige räumliche Koordinatensystem des gesellschaftlichen Lebensprozesses neu ausgerichtet werden musste. In der Geometrisierung der Stadtgrundrisse manifestierte sich zugleich ein neues ästhetisches Bewusstsein und Konzept in der Baukunst, das sich unter dem Einfluss der platonischen Zahlentheorie und deren Wiederentdeckung und Weiterentwicklung durch Marsilio Ficino und Luca Pacioli entwickelte. Die geometrische Anordnung wurde als Ausdruck höchster göttlicher Ordnung verstanden und der darin enthaltene Symbolgehalt als gesellschaftliche Grundordnung impliziert.

Visuelle Veränderungen vollziehen sich jedoch nicht nur durch die Modernisierung von Festungen und Verteidigungsanlagen. Es werden Messinstrumente und Geräte entwickelt, die mit ihren Verzierungen aus geometrischen Zeichen und Körpern als Prestigeobjekte verstanden werden müssen und das mikrokosmische Abbild einer intellektuellen Geisteshaltung darstellen. Die sächsische Kunstkammer des Kurfürsten August mit seinen vielfältigen Geräten kann als ein Nucleus zeitgenössischen High-Techs angesehen werden. Die kartographische Erfassung der gemessenen Erde und die Visualisierung geometrisierter Festungen auf Plänen und Vogelschaubildern verändern die visuelle Wahrnehmung des Raums. Die Fortführung und Verbreitung mathematischer Methoden und ihre Anwendung auf den Festungsbau wäre ohne das neue Medium Buch nicht denkbar gewesen. Die ab 1550 publizierten Traktate scheinen sich in unterschiedliche Klassifizierungen einteilen zu lassen.

Ziel des interdisziplinären Kolloquiums ist es, den Einfluss übergeordneter zeitgenössischer mathematischer Systeme als Innovationsreservoir des Festungsbaus und einer sich verändernden Ästhetik aufzuzeigen, die sich nicht zuletzt auch auf die Mechanismen politischer Repräsentation auswirkten.

Im Anschluss an die zweitägigen Arbeitsgespräche ist eine Exkursion nach Terezín/ Theresienstadt (Tschechische Republik, ca. 2 Autostunden südlich von Dresden) geplant, das unter Kaiser Joseph II. von Österreich zwischen 1780 und 1790 als Festungsstadt mit idealtypischem Grundriss errichtet wurde und während des zweiten Weltkriegs von den deutschen Nationalsozialisten als Konzentrationslager benutzt wurde. Zwischen 1997 und 2004 wurde Terezín/Theresienstadt durch ein Projekt des Schinkelzentrums an der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Astrid Debold-Kritter in all seinen architektonischen und historischen Facetten systematisch analysiert und dokumentiert

Zentrale Fragen im Mittelpunkt der Tagung sind :

 In welcher Weise erfolgte im 16. Jahrhundert die Unterweisung der Militäringenieure auf dem Gebiet der praktischen Geometrie ? Können Aussagen über Bildungseinrichtungen, Unterrichtsmethoden, Lehrer getroffen werden ?
 Welche Bedeutung ist in diesem Zusammenhang den fürstlichen Höfen zu zuweisen ? Welche intellektuellen Leistungen werden hier entwickelt, weitergegeben, archiviert ?
 Können Aussagen darüber getroffen werden, inwieweit die in den Traktaten zu Grunde liegenden mathematischen Fundamente in der Praxis berücksichtigt, reflektiert und diskutiert wurden ? Welche Quellen stehen hier zur Verfügung ?
 Welchen Einfluss nehmen neue Messinstrumente auf die Visualisierungen von Festungen, Küstenlinien usw. und damit auf deren Wahrnehmung, Rezeption und Interpretation ?
 Wie wurden in den nach 1600 publizierten Traktaten die Grenzen der zwischen der hohen mathematischen Kunst und der Perfektionierung der Festungsanlagen mittels diffiziler Berechnungsmethoden und der Praktikabilität und bewusste Vereinfachung des mathematischen Entwurfs für eine schnelle Anwendbarkeit im Feld diskutiert ?
 Welche Mechanismen, Triebkräfte und künstlerische Formen lassen sich innerhalb der Sublimierungsvorgänge ausmachen, die die Kriegstechnologie in Kulturtechnik überführten ?
 Wie konnte der Festungsbau zu einem Experimentierfeld der ästhetischen Innovationen werde, deren Ergebnisse Städtebau und Gartenkunst nachhaltig verändert ?

Programme complet

Le programme complet est disponible ici.


Illustration tirée de : Alain Manesson Mallet, Kriegsarbeit oder neuer Festungsbau, Amsterdam 1672 (source : site de l’Université de Dresde).

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